Montag, 2. November 2009
Fußmassage
Wir waren am Freitag bei einem Massagesalon. In China muss man bei der Auswahl ganz genau darauf achten, dass es auch wirklich eine Massage ist. Denn viele sind Bordelle oder man wird am Ende gefragt, ob man noch ein „Extra“ möchte. Das gilt übrigens auch für Friseursalons. Gerade Ausländer werden da gerne reingewinkt. Aber eigentlich kann man an der Kleidung der Masseusen erkennen, dass man da lieber nicht reingehen sollte.
Genug davon, wir waren in einem seriösen Laden den uns unsere Lehrerin Lena empfohlen hat. Auch sie war dabei. Das ganze läuft nur ganz anders ab, als in Deutschland. Während wir uns in Deutschland auch mental entspannen sollen, ist der Massageraum in China eher ein gesellschaftlicher Treffpunkt. Wir waren in einem 18 qm großen Raum zu viert plus drei Masseusen und einem Masseur, sowie einigen gelegentlich Gästen, die irgendwas von den Masseusen wollten. Das ganze und der Fernseher haben für eine recht laute, aber auch lustige Atmosphäre gesorgt. Ich hab den einen Masseur abbekommen. Der Junge hat seine Sacher aber echt gut gemacht. Ich hab mein „Pokerface“ aufgesetzt, immer nett genickt und alles über mich ergehen lassen. Denn es war schon recht schmerzhaft. Gerade die Fade konnte ich noch in meinem Zimmer beim einschlafen spüren. Trotzdem hat das ganze echt gut getan. Vielleicht liegt das auch an der hohen Spezialisierung des Masseurs, der schon als Kind mit dem Training angefangen hat.

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Freitag, 30. Oktober 2009
Chinesische Höflichkeit
Höflichkeit spielt in China eine riesige Rolle und unterscheidet sich stark vom westlichen Verständnis. Das Grundprinzip ist, den anderen besser aussehen zu lassen und daher auch bei sich selbst Abstriche zu machen.
Praktisch heißt das, in jeder Situation mit Komplimenten um sich zu schmeißen. Jedes Mal, wenn ich eine neue Person treffe, bekomme ich nach spätestens drei Sätzen von mir auf Chinesisch, egal wie einfach und alltäglich sie auch sein mögen, ein dickes Lob. Im westlichen Sinne würde ein „Danke“ mehr als genügen, mal abgesehen davon, ob man so schnell überhaupt ein Kompliment erhalten würde. Hier in China ist es jedoch höflicher, das Kompliment abzuwehren und so antworte ich meist mit einem „Na ja, geht so“ oder „Ach komm, wo denn?!“. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass es im Chinesischen genug Wege und spezielle Floskeln gibt, einem Lob auszuweichen. Mit diesem einem Versuch bleibt es natürlich nicht. Es wird einfach alles gepriesen. Das fängt beim Aussehen an und hört eigentlich nirgends auf. Chinesen egal welchen Alters oder welchen Ranges sagen mir, wie schön („Shuai“) ich doch bin. Das bekommt natürlich auch mein Mitbewohner hier und eigentlich alle jüngeren, westlichen Ausländer zu hören, denn in den Augen der Chinesen sehen wir tatsächlich extrem gut aus. Etwas spezieller wird es, wenn es an meine weiße Haut geht, die auch dem chinesischen Schönheitsideal entspricht, oder an meine starke Figur, wobei meine Kraft gelobt wird. Hier zeigt sich, wie Chinesen aus etwas vermeintlich Schlechtem ein Kompliment heraus holen. Wenn du dick bist, bist du für Chinesen kräftig und gesund. So hat das letzte Kompliment meiner Meinung nach zwei Seiten. Es geht natürlich noch weiter. Auch das „Deutsch-Sein“ bringt mir bzw. uns Komplimente. Die gute deutsche Wirtschaft, Automarken und die deutschen Tugenden werden bewundert und sind im chinesischem Sinne auch ein Kompliment an jeden einzelnen, der dazu gehört, in diesem Fall also an uns.
Je nachdem, wie viel Alkohol man verträgt, gibt es dafür ein Lob. Nach längerer Zeit bekommt man gesagt, wie sehr einen die Leute mögen. Das habe ich von meinem Büro, den Lehrern aus zwei anderen Büros und den meisten Klassen bisher gehört. Eine Lehrerin hat uns schon berichtet wie sehr uns die Schüler der gesamten Schule lieben, obwohl wir mit den meisten natürlich noch nicht gesprochen haben. Dabei ist es entweder einer aus der Gruppe, der mir bezeugt, wie sehr mich alle mögen, oder ich werde in Anwesenheit der gesamten Gruppe von dieser gelobt. Nach all dem Lob, dem Danken und Abwehren, bin ich an der Reihe, selber ebensolches auszuteilen. So mannigfaltig die Komplimente sind, versuche auch ich sie zu erwidern. Jeder neue Mantel und jedes Schuhpaar meiner Kolleginnen ist ein Satz wert. Egal was ein anderer Lehrer macht, ob es Badminton spielen oder das Fertigstellen des Tafelgemäldes in unserem Büro ist, die Fähigkeiten werden bewundert. Auch allgemeine Charakterzüge gehen als Ziel durch und so gibt es positive Kommentare für das vorbildliche Verhalten als „Leader“ oder die höfliche „Gentleman“-Art eines Kollegen.

Es ist faszinierend, wie viele Komplimente wir hören, und das geht an mir nicht spurlos vorbei. Man fühlt sich natürlich echt gut und haut selber um so mehr raus. Obwohl es viele, eigentlich sehr oberflächliche Komplimente sind, fühlen sie sich doch irgendwie erst und ehrlich an. Es ist einfach normal, in der chinesischen Kultur viel zu „schleimen“ und ist dadurch nicht abgewertet worden, wie bei uns, sondern aufrichtig gemeint.

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Mein chinesischer Name
Mein chinesischer Name

Ich habe endlich einen neuen, chinesischen Namen!
Mein vorheriger Name war phonetisch hergeleitet, entsprach also dem Klang meines deutschen Namens, und war daher typisch für einen Ausländer. Aus „Sören“ wurde „索伦“ Suo3lun2, was übrigens auch die Übersetzung für „Sauron“ aus der Herr der Ringe ist. Das ist ein Grund mehr, meinen Namen zu ändern und nicht mehr als Ausländer auf jeder Liste gebrandmarkt zu sein. Die Zahlen hinter den Silben stehen übrigens für die Töne. Im Chinesischen werden Silben in 4 Tönen betont oder unbetont gelassen. Der 1. Ton ist ein hoher und gleichbleibender, beim 2. Ton geht man mit der Stimme nach oben, in etwa so wie man „Ja?“ als Frage stellt. Der 3. Ton ist zuerst abfallend und dann steigend, als ob man sehr gedehnt und bestimmt, sowie etwas genervt mit „Ja“(das habe ich doch schon längst gemacht) antwortet. Der 4. Ton ist fallend und stakkatohaft. Er ähnelt dem normalen, antwortendem, kurzen „Ja“ oder so wie man zu einem Hund befehlend „Sitz“ sagt.
Mein neuer Name ist 霍志远, Huo4 Zhi4Yuan2. „Huo“ hat sich aus meinem deutschen Familiennamen „Hörnicke“ phonetisch abgeleitet, ist jedoch ein normaler chinesischer Familienname aus der Gegend um Beijing und Tianjin. Sein berühmtester Vertreter ist 霍元甲 Huo4 Yuan2jia3, ein Wushu Kung Fu Meister aus dem frühen 20. Jahrhundert, der in der imperialen Besetzungszeit Chinas gegen westliche und japanische Vertreter in Turnieren gekämpft hat und dabei die verletzte Ehre Chinas verteidigt hat. Den Namen habe ich jetzt schon als Spitznamen weg.
Mein Vorname sollte eigentlich eine Übersetzung meines deutschen Namens „Sören“ sein, der die nordische Version von „Severinus“ ist und „der Ernste“ oder „der Seriöse“ bedeutet. Mein chinesischer Vorname setzt sich aus 志 Zhi4 von 同志 Tong2Zhi4(Genosse) zusammen und bedeutet „Wille, Ehrgeiz, Ziel(-strebigkeit)“. Das Zeichen setzt sich oben aus 士 Shi4 Krieger und unten aus 心 Xin1 Herz zusammen. Das „Herz des Kriegers“ ist somit „Willensstark“ und „Ehrgeizig“. Das zweite Zeichen ist 远 Yuan2 und bedeutet alleine „weit“(weg) und kommt in meinem Namen vom 远达 Yuan2da4 „weitweg“ und im Zusammenhang mit Gedanken, Ideen und Ideologien „weitreichend“ und „groß(-artig)“. Es setzt sich in der Mitte oben aus dem Zeichen für Geld 元 Yuan2 und unten aus 走Zou3(字旁zi4pang2) zusammen, was „Gehen“ heißt. Wie jeder weiß, wechselt Geld oft seinen Besitzer und reist damit weiter umher als jeder Mensch. Daher ist das Zeichen für „weit“ 远 Yuan2 aus „Geld“ und „Gehen“ aufgebaut.
Mein Name 志远 Zhi4yuan2 bedeutet zusammen einen „riesigen Ehrgeiz“ oder einen „starken Willen“ haben. Zwar weiß ich nicht, wie meine Chinesisch Lehrerin von „der Ernste/der Seriöse“ darauf gekommen ist, jedoch kann ich mich nicht über diese geniale Bedeutung beschweren. Selbst der Klang meines gesamten Namens gefällt mir jetzt sehr viel besser.
Es gibt noch einen positiven Aspekt: da ich jetzt meinen chinesischen Namen nutze und bekannt mache, werde ich im Chinesischen auch standesgemäß angeredet. Von Schülern werde ich auf Englisch „Mr. Huo“ (Hörnicke bekommen die nicht hin) oder auf Chinesisch 霍老师 Huo4 Lao3shi1, „Lehrer Huo“, genannt. Die ersten Kollegen, Bekannten und Freunde fangen an, mich老霍 Lao3 Huo4 zu nennen. Dabei wird zu meinem Namen das Wort 老 Lao3 vorne hinzugefügt, was „alt“ heißt und eigentlich eine eher respektvolle Anrede für ältere Leute oder sonstige höhergestellte Personen ist.

Ihr seht, wie kompliziert es ist, einen Namen zu übersetzen. Ich kann euch allerdings sagen, dass es sich auf jeden Fall lohnt. Ich fühle mich richtig gut mit einem so guten Namen und bin richtig stolz auf den. Zudem fühle ich mich sehr viel mehr in die chinesische Kultur eingegliedert. Der Name ist viel einfacher für Chinesen zu verstehen und zu merken. Wie ihr seht, bekomme ich endlich Spitznamen. Letztendlich erlaubt es den Chinesen eine persönlicher Verbindung zu mir zu schaffen und die eigene „chinesische“ Persönlichkeit wird gefestigt.

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Chinesische Trinkkultur
Die chinesische Trinkkultur hier im Norden ist wesentlich ausgeprägter als ich sie in Shanghai miterlebt habe. Das mag vielleicht an dem hartem Klima und dem fehlenden anderweitigen Angebot an kulturellen Freizeitbeschäftigungen, wie Kino, Theater etc., liegen. Hier im öden Nord-Westen Chinas ist Alkohol gerade während der kalten Wintermonate ein willkommener Zeitvertreib. So ist der Alkoholkonsum kultiviert worden und tief in der Gesellschaft verwurzelt.
Es wird bei jedem großen Essen getrunken. Das oberste Ziel ist es, die anderen „abzufüllen“, also betrunken zu machen. Gerade die Würdenträger und die wichtigsten Gäste stehen im Fokus. Es wird immer aus kleinen Gläsern zwischen 4cl und 10cl getrunken. Dabei trinkt nicht jeder für sich, sondern es wird immer zusammen angestoßen und entweder ein oder mehrere Schlucke getrunken oder das ganze Glas leer gemacht. Das letztere heißt „Ganbei“ und bedeutet soviel wie „Mach das Glas“ (alle). Dabei wird entweder auf eine Sache, zum Beispiel auf ein besonderes Ereignis, oder auf eine Person getrunken. Je mehr man trinkt und je höher der Alkoholgehalt, desto besser. Wenn man jemanden eine besondere Ehre erweisen möchte oder ein Ereignis besondert feiert, sollte man immer schön austrinken. Nach dem Trinken wird gerne das leere Glas präsentiert. Ist also dein Boss an der Reihe, immer alles weghauen! Beim Anstoßen muss man natürlich auf das höchste chinesische Höflichkeitsgebot achten. Man versucht den anderen immer besser aussehen zu lassen. Indem man beim Anstoßen das Glas seines Gegenübers tiefer trifft, bezeugt man metaphorisch, dass man sich „unterwirft“ und somit sehr höflich ist. Das eigene Glas muss also beim Anstoßen tiefer liegen als das des Anderen. Das führt zu Höchstleistungen bei der Bewegung der Gläser aufeinander zu. Zuerst gehe ich in einer 45° Steigung nach oben, um im letzen Moment voll nach unten zu ziehen. Bei Exzessen mit anderen deutschen Freunden geht es da schnell mal unter den Tisch. Außerdem ist es noch wichtig, sein Glas richtig zu halten. Eine Hand umgreift das Glas und die andere hält flach den Boden. So hält man es dankend beim Einschenken und Anstoßen sowie beim Präsentieren des leeren Glases. Auch die anderen „zu bedienen“, indem man ihnen einschenkt, gilt als Zeichen der Höflichkeit und steht meistens nur dem Gastgeber zu.
Es gibt drei Arten zum Trinken aufzufordern. Natürlich ist es in jedem Fall höflich zum Trinken einzuladen und steht auch daher eher dem Gastgeber zu. Möglichkeit Nr. 1 ist ein allgemeiner Anstoß plus Trinksprüchen bzw. Reden vom Gastgeber und manchmal noch eine erwidernde Danksprache vom Gast auf einen tollen Umstand, wie der guten Zusammenarbeit und/oder die Gäste. Möglichkeit Nr.2 ist die Runde zu machen. Das hat sogar einen eigenen Ausdruck und heißt „Jingjiu“. Dabei geht zuerst der Gastgeber herum und trinkt mit einem nach dem anderen bis er alle durch hat. Dabei wird immer eine kleine Dankes-, Lobes- oder „Gute Wünsche“- Rede für jede einzelne Person gehalten. Diese variiert in der Länge nach Status und Rang und wird natürlich vom aufgeforderten Gast erwidert. Dem obersten Gastgeber folgen die nächst Rang tieferen und am Ende dürfen sogar die Gäste ran. Das ganze ist eine krasse Belastung für den Magen, gerade wenn man selber gerade herumgeht, ist das Volumen meist ein Problem. Möglichkeit Nr. 3 sind die Trinkspiele. Auch hierbei kann einer der „Master“ sein und reihum mit jedem einmal spielen. Der Verlierer trinkt das ganze Glas und der Gewinner nimmt einen Schluck oder die Hälfte. Am häufigsten wird „Daquan“ (Große Faust) und „Xiaoquan“ (kleine Faust) gespielt, für Ausländer gibt es dann noch Schere-Stein-Papier. Bei „Daquan“ zeigen beide Spieler gleichzeitig eine Zahl mit einer Hand, also 0 bis 5, keine Extras. Dabei schreien sie eine Zahl von 0 bis 10 und gewinnen, wenn die Finger der beiden Hände, der eigenen und die des Gegners, zusammen die gerufene Zahl ergeben. Das geht so lange, bis einer zweimal gewinnt. Es gehört sich, beim Spielen die Zahlen möglichst laut zu rufen, ja, einen Kampfschrei loszulassen um den Gegner gleich einzuschüchtern und seine Energie frei zu lassen. Schattenseite ist die ungemeine Lärmbelastung in Restaurants, die Unterhaltungen empfindlich stören kann. Bester Anfängerfehler ist „Null“ zu rufen und mit seiner Hand eine „Eins“ zu zeigen. Kommt dennoch vor. „Xiaoquan“ ist einfacher, leiser und schneller, dafür aber weniger lustig. Beide zeigen wieder gleichzeitig einen Finger und versuchen dabei, den des Gegenübers zu schlagen: Daumen schlägt den Zeigefinger, Zeigefinger schlägt den Mittelfinger, etc., kleiner Finger schlägt den Daumen.

Als Getränke stehen traditionell Bier und Schnaps sowie moderner Wein zu Verfügung. Das Bier hat nur 3,6 Prozent und schmeckt auch sonst eher lasch. Definitiv kein Vergleich zur Deutschen Braukunst, man kann sich jedoch dran gewöhnen. Der Schnaps ist ein Kapitel für sich, wie sich vielleicht noch einige Verwandte vom letzten Weihnachten erinnern können. Nicht, dass er beim Trinken brennt, das ist für jeden Alkohol mit über 40% normal und Baijiu liegt normalerweise zwischen 40% bis 60%. Sein wirklicher Makel versteckt sich im Geschmack und der damit verbundenen Langzeitwirkung. Zuerst riecht er eigentlich gut, sehr fruchtig, doch wenn man das Zeug erst mal im Rachen hat, bekommt man eine anderes Gefühl davon. Ich habe noch nie einen so penetranten und ausdauernden Geschmack erlebt. Er legt sich auf den ganzen Rachen und Magen und geht auch nach Stunden nicht weg. Es gibt einfach kein Mittel, um den runter zu spülen und gerade heißer Tee, den man in China immer bei einem guten Essen trinkt, brennt auf den gereizten Häuten erbarmungslos. Bei jedem Anstoßen wird man erneut an den Alkohol erinnert, mit jedem Becher verstärkt sich der Effekt und Chinesen trinken gern und viel. So kapitulieren wir spätestens nach dem 4. Kurzen.
Den Wein, den wir bisher getrunken haben, kann man vergessen! Meist ist es mit Alkohol und Zucker (sowie einem gehörigen Schuss Chemie) angereicherter Traubensaft mit 8%. Das wird hier dann als „Roter Alkohol“, was auch Wein bedeutet, verkauft und schmeckt echt ekelig. Neben der krassen Süße stört vor allem der Waschmittelgeschmack. Letztendlich bevorzugen wir definitiv Bier.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich mich sehr mit der nordchinesischen Trinkkultur angefreundet habe, da sie jedes große Essen bereichert und zu einem Abenteuer macht. Auch Sprachbarrieren fallen schneller und die allgemeine Stimmung verbessert sich ungemein.

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